Am 4. November 1848 verabschiedete die soeben ausgerufene Zweite Republik eine neue Verfassung. Dieser Gründungstext wurde von einem neuen Parlament verfasst, das aus 900 nach dem allgemeinen Wahlrecht für Männer gewählten Abgeordneten bestand.

Nach der Abdankung von König Louis-Philippe am 24. Februar 1848 wurde eine Übergangsregierung gebildet, deren politisches Spektrum von moderaten Republikanern über Liberale wie den Dichter der französischen Romantik Alphonse de Lamartine bis hin zu Sozialisten reichte. 

Zunächst setzte diese Regierung einen symbolischen Schritt: Lamartine gelang es, die Republik auszurufen und am Balkon des Rathauses die Trikolore zu hissen. Darauf folgten die Abschaffung der Sklaverei und der Todesstrafe für politische Delikte, die Aufhebung des Zensurgesetzes von 1835, die Schaffung neuer sozialer Maßnahmen für Arbeiter und die Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts per Dekret vom 5. März 1848.

Alle französischen Männer ab dem Alter von 21 Jahren durften demnach an der Wahl der 900 Abgeordneten teilnehmen, die mit der Ausarbeitung der Verfassung betraut werden sollten. Am 23. und 24. April 1848 begaben sich 84 % der eingetragenen Wähler zu den Urnen.  

Gewählt wurden rund 500 liberale Republikaner, die der provisorischen Regierung nahestanden, darunter auch Lamartine, 150 radikale und sozialistische Republikaner, unter ihnen Victor Hugo, sowie 250 Monarchisten. 

Die daraus hervorgegangene Verfassung war eine Synthese aus verschiedenen verfassungsrechtlichen Konzepten, in der sich die Ideen von 1789 mit einer konservativeren Haltung mischten. Die republikanischen Grundsätze „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ bauten nun auf den Grundwerten „Familie, Arbeit, Eigentum und öffentliche Ordnung“ auf. Der Text sicherte den Fortbestand der sozialen Errungenschaften der Übergangsregierung, betonte das Recht auf Bildung und Eigentum, auf freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit. Trotz seiner großen Redegewandtheit gelang es Victor Hugo nicht, die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung festschreiben zu lassen.

Die französische Verfassung, die sich stark am amerikanischen Modell orientierte, sah vor, die Exekutive einem auf vier Jahre gewählten Staatspräsidenten anzuvertrauen, der nicht unmittelbar wiederwählbar war.
Die Franzosen wählten Louis-Napoléon Bonaparte den Neffen Napoleons I., im Dezember 1848 mit 75 % der Stimmen zum Staatschef, der anschließend eine konservative Regierung bildete.  Doch der erste Präsident der II. Republik sollte auch der letzte bleiben.

Drei Jahre später wurde die Verfassung von 1848 mit dem Staatsstreich von Louis-Napoléon Bonaparte und der Verkündung der Verfassung von 1852, die dem Zweiten Kaiserreich zugrunde liegt, außer Kraft gesetzt.

Staatsarchiv (Paris), 04.11.1848, AE/I/29/9, Verfassung von 1848

IM NAMEN DES FRANZÖSISCHEN VOLKES hat DIE NATIONALVERSAMMLUNG diese VERFASSUNG beschlossen, die vom Präsidenten der Nationalversammlung in Übereinstimmung mit Artikel 6 des Dekrets vom 28. Oktober 1848 verkündet wurde und wie folgt lautet:

Präambel

In Gegenwart Gottes und im Namen des französischen Volkes verkündet und beschließt die Nationalversammlung:

I. Frankreich hat sich als Republik erklärt. Indem es diese definitive Regierungsform annimmt, setzt es sich zum Zweck, freier auf der Bahn des Fortschrittes und der Civilisation voranzugehen, eine immer gleichere Vertheilung der Bürden und Vortheile der Gesellschaft zu sichern, jedem einzelnen durch eine stufenweise Verminderung der Staatsausgaben die Steuern zu erleichtern, und sämmtliche Bürger, ohne neue Erschütterung, durch die allmähliche und beständige Wirkung der Institutionen und Gesetze, zu einem immer höheren Grad der Sittlichkeit, der Aufklärung und des Wohlstandes zu bringen.

II. Die Französische Republik ist demokratisch, eins und untheilbar.

III. Sie erkennt Rechte und Pflichten, älter und höher als positive Gesetze.

IV. Sie hat als Prinzip: Freiheit, Gleichheit und Bruderliebe, und als Basis: die Familie, die Arbeit, das Eigenthum und die öffentliche Ordnung.

V. Sie achtet die fremden Nationalitäten, wie sie ihrer eigenen Achtung zu verschaffen wissen wird; unternimmt keinen Krieg in der Absicht zu erobern, und wird niemals ihre Streitkräfte gegen die Freiheit irgend eines Volkes verwenden.

VI. Wechselseitige Pflichten verbinden die Bürger mit der Republik und die Republik mit den Bürgern.

VII. Die Bürger sollen das Vaterland lieben, der Republik dienen, sie um den Preis ihres Lebens vertheidigen, sich an den Staatslasten nach dem Verhältniß ihres Vermögens betheiligen; sie sollen sich durch die Arbeit die Mittel ihrer Existenz sichern, und durch Voraussicht ihr Auskommen für die Zukunft; sie sollen mitwirken zur gemeinsamen Wohlfahrt, durch gegenseitige brüderliche Unterstützung, und zur Ordnung des Ganzen beitragen, durch Beobachtung der sittlichen Gebote und der geschriebenen gesetze, welche die Gesellschaft, die Familie und das Individuum regieren.

VIII. Die Republik soll den Bürgern in seiner Person, seiner Familie, seiner Religion, seinem Eigenthum, seiner Arbeit beschirmen, und den für alle Menschen unentbehrlichen Unterricht Jedem zugänglich machen; sie soll, durch brüderlichen Beistand, die Existenz der bedürftigen Bürger sichern, sie es, daß sie ihnen Arbeit, innerhalb der Grenzen ihrer Mittel schafft, es es daß sie, in Ermanglung der Familie, denen Unterstützung gewährt, welche arbeitsunfähig sind. 

Mit Berücksichtigung der Erfüllung aller dieser Pflichten, und zur Sicherung aller dieser Rechte, beschließt die Nationalversammlung, getreu den Ueberlieferungen der großen Versammlungen, welche die Französische Revolution feierlich eingesetzt haben, die Verfassung der Republik wie folgt:

Verfassung

Kapitel I. Die Souveränität

Artikel 1. Die Souveränität beruht in der Gesammtheit der französischen Bürger. Sie ist unveräußerlich und unverjährbar. 
Kein Einzelner, keine Fraktion des Volkes kann sich die Ausübung derselben zueignen.

Kapitel II. Rechte der Bürger, welche die Verfassung gewährleistet.

Artikel 2. Niemand kann verhaftet oder gefangen gehalten werden, als nach den Bestimmungen des Gesetzes.

Artikel 3. Die Wohnung jeder auf französischen Gebiete lebenden Person ist unverletzlich; es ist nicht erlaubt, in dieselbe einzudringen, als nach den Formen und in den Fällen, welche das Gesetz bestimmt.

Artikel 4. Niemand kann seinen natürlichen Richtern entzogen werden. Es dürfen keine außerordentlichen Kommissionen und Tribunale errichtet werden, unter welchem Titel und unter welcher Bezeichnung auch immer.

Artikel 5. Die Todesstrafe ist in politischen Fällen aufgehoben.

Artikel 6. Die Sklaverei kann auf keinem französischen Gebiete mehr bestehen.

Artikel 7. Jedermann kann seine Religion frei bekennen und empfängt vom Staate, für die Ausübung seines Kultus, den gleichen Schutz. Die Geistlichen, sowohl der gegenwärtig durch das Gesetz anerkannten Kulte, als auch die der in Zukunft noch anzuerkennenden, haben das Recht, vom Staate eine Besoldung zu beanspruchen.

Artikel 8. Die Bürger haben das Recht, sich zu vereinigen, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, Bittschriften einzureichen und ihre Gedanken durch die Stimme der Presse oder auf andere Art zu offenbaren. Die Ausübung dieser Rechte ist allein begrenzt durch die Rechte oder die Freiheit Anderer und durch die öffentliche Sicherheit. Die Presse kann unter keinen Umständen der Censur unterworfen werden.

Artikel 9. Der Unterricht ist frei. Die Freiheit des Unterrichts wird nach den Bedingungen der Fähigkeit und Moralität ausgeübt, welche die Gesetze vorschreiben, und steht unter Aufsicht des Staats. Diese Aufsicht erstreckt sich auf alle Erziehungs- und Unterrichts-Anstalten, ohne irgend eine Ausnahme.

Artikel 10. Alle Bürger haben gleiche Ansprüche auf alle öffentlichen Aemter, ohne andere Vorzugsrechte als ihre Verdienste, und zufolge der Bedingungen, welche durch die Gesetze festbestimmt sind. Für immer abgeschafft sind alle Adelstitel, alle Auszeichnungen der Geburt, der Klasse oder Kaste.

Artikel 11. Alles Eigenthum ist unverletzlich. Nichts destoweniger kann der Staat die Ausopferung eines Eigenthums für gesetzlich nachgewiesene nützliche Staatszwecke, vermittelst einer gerechten und vorherigen Entschädigung, verlangen.

Artikel 12. Die Einziehung der Güter kann nie wieder eingeführt werden.

Artikel 13. Die Verfassung sichert den Bürgern die Freiheit der Arbeit und der Industrie zu. Die Gesellschaft begünstigt und ermuthigt die Entwicklung der Arbeit durch unentgeltlichen Grundschulunterricht, gewerbliche Erziehung, Gleichheit der Verhältnisse zwischen Meister und Arbeiter, durch Vorsorge- und Kredit-Anstalten, Ackerbau-Anstalten, freiwillige Vereine und Staats-, Departements- und Gemeinde-Anstalten für öffentliche Arbeiten zur Beschäftigung Arbeitsloser; sie unterstützt verlassene Kinder, mittellose Kranke und Greise, denen ihre Familien nicht beistehen können.

Artikel 14. Die öffentliche Schuld ist garantiert. Jede Art Verpflichtung, welche der Staat gegen seine Gläubiger übernommen hat, ist unverletzlich.

Artikel 15. Jede steuerliche Auflage wird zum allgemeinen Nutzen eingeführt. Jeder Bürger steuert nach Verhältniß seiner Kräfte und seines Vermögens dazu bei.

Artikel 16. Keine steuerliche Auflage kann anders als Kraft des Gesetzes eingeführt oder eingezogen werden.

Artikel 17. Die direkte Steuer wird nur für ein Jahr verwilligt. Die indirekten Auflagen können für mehrere Jahre verwilligt werden.

Kapitel III. Die öffentlichen Gewalten.

Artikel 18. Alle öffentliche Gewalten, wie sie auch heißen mögen, gehen vom Volke aus. Sie können nicht erblich überwiesen werden.

Artikel 19. Die Trennung der Gewalten ist erste Bedingung einer freien Regierung.

Kapitel IV. Die gesetzgebende Gewalt.

Artikel 20. Das französische Volk überweist die gesetzgebende Gewalt einer einzigen Versammlung.

Artikel 21. Die Gesammtzahl der Repräsentanten des Volks wird 750 betragen und die Repräsentanten von Algerien und den französischen Kolonien in sich begreifen.

Artikel 22. Diese Zahl wird für die Versammlungen, welche zur Revision der Verfassung berufen werden, auf 900 steigen.

Artikel 23. Die Wahl hat die Bevölkerung zur Grundlage.

Artikel 24. Die Wahlstimmen sind direkt und allgemein. Die Untersuchung der abgegebenen Stimmen ist geheim.

Artikel 25. Wähler sind, ohne Berücksichtigung des Census, alle Franzosen, welche 21 Jahre alt, und im Genuß ihrer bürgerlichen und politischen Rechte sind.

Artikel 26. Wählbar sind, ohne Rücksicht auf den Census oder den Wohnort, alle Franzosen, welche 25 Jahre alt, und im Genusse ihrer bürgerlichen und politischen Rechte sind.

Artikel 27. Das Wahlgesetz bestimmt die Gründe, welche einem französischen Bürger das Recht zu wählen oder gewählt zu werden, entziehen können. Es bezeichnet die Bürger, welche, weil sie Amtsverrichtungen in einem Departement oder Bezirk versehen oder versehen haben, nicht gewählt werden können.

Artikel 28. Die Ausübung aller öffentlichen besoldeten Staatsämter ist unverträglich mit dem Mandat eines Volksrepräsentanten. Kein Mitglied der Nationalversammlung kann während der Dauer der Gesetzgebung zu besoldeten öffentlichen Aemtern ernannt oder befördert werden, deren Inhaber die vollziehende Gewalt nach Belieben erwählt. Die Ausnahmen der Bestimmungen beider vorstehender Paragraphen werden durch das organische Wahlgesetz festgestellt.

Artikel 29. Die Bestimmungen des vorstehenden Artikels sind nicht auf die Versammlungen anwendbar, die zur Revision der Verfassung erwählt werden.

Artikel 30. Die Wahl der Repräsentanten wird nach Departements, und die Abstimmung nach Listen vorgenommen. Die Wähler geben im Hauptort des Kantons ihre Stimme ab; nichts destoweniger kann, in Rücksicht auf lokale Umstände, der Kanton in mehrere Kreise getheilt werden, in der Form und unter Bedingungen, welche das Wahlgesetz bestimmten wird.

Artikel 31. Die Nationalversammlung wird für drei Jahre gewählt, und erneuert sich vollständig. Fünfundvierzig Tage spätestens vor dem Schlusse der Gesetzgebung, bestimmt ein Gesetz den Zeitpunkt neuer Wahlen. Ist kein Gesetz in der durch vorstehenden Absatz festgestellten Frist erlassen worden, so versammeln sich die Wähler von Rechts wegen am dreißigsten Tage vor dem Ende der Wahlperiode. 
Die Neue Versammlung wird auf den ersten Tag nach Ablauf des Mandats der vorhergehenden Versammlung von Rechts wegen einberufen.

Artikel 32. Sie ist permanent. Nichts destoweniger kann sie sich auf eine selbst bestimmte Frist vertagen. Während der Dauer der Vertagung hat eine Kommission, welche aus Mitgliedern des Bureaus und aus 25 Repräsentanten zusammengesetzt ist, die durch die Versammlung mittelst geheimer Abstimmung und absoluter Mehrheit ernannt werden, das Recht, sie in dringenden Fällen einzuberufen. Der Präsident der Republik hat ebenfalls das Recht, die Versammlung einzuberufen. Die Nationalversammlung bestimmt den Ort ihrer Sitzungen; sie bestimmt den Umfang der militärischen Streitkräfte, welche zu ihrer Sicherheit aufgestellt werden, und verfügt über dieselben.

Artikel 33. Die Repräsentanten sind immer wieder wählbar.

Artikel 34. Die Mitglieder der Nationalversammlung sind nicht die Repräsentanten des Departements, welches sie ernennt, sondern von ganz Frankreich.

Artikel 35. Sie können kein bindendes Mandat erhalten.

Artikel 36. Die Repräsentanten des Volkes sind unverletzlich. Sie können zu keiner Zeit über Ansichten belangt, angeklagt noch gerichtet werden, die sie im Schoße der Nationalversammlung ausgesprochen haben.

Artikel 37. Sie können weder in Kriminalsachen verhaftet werden, außer bei Ergreifung auf frischer That, noch in Untersuchung gezogen werden, wenn nicht die Versammlung die Verwilligung zur Untersuchung gegeben hat. Im Fall der Verhaftung auf frischer That, ist unverzüglich an die Versammlung zu berichten, welche dann zur Fortsetzung der Untersuchung die Ermächtigung ertheilt oder diese verweigert. Diese Bestimmung ist auch in Fällen anzuwenden, wo ein verhafteter Bürger zum Repräsentanten ernannt wurde. 

Artikel 38. Jeder Volks-Repräsentant erhält eine Entschädigung, auf welche er nicht verzichten kann.

Artikel 39. Die Sitzungen der Kammern sind öffentlich. Nichts destoweniger kann die Versammlung ein geheimes Komitée bilden, wenn es von der Zahl von Repräsentanten verlangt wird, welche die Geschäftsordnung feststellt. Jeder Repräsentant hat das Recht parlamentarischer Initiativen, und übt dasselbe nach den Formen aus, welche die Geschäftsordnung vorzeichnet.

Artikel 40. Für die Gültigkeit gesetzlicher Beschlüsse ist die Anwesenheit der Hälfte der Versammlung plus einem Mitglied nothwendig.

Artikel 41. Kein Gesetzesentwurf kann, ausgenommen in dringlichen Fällen, zur definitiven Abstimmung gebracht werden, ohne daß drei Berathungen darüber stattgefunden hätten, zwischen denen nicht weniger als je fünf Tage liegen müssen.

Artikel 42. Jedem Antrag muß, um die Nothwendigkeit desselben darzuthun, eine Darlegung über die Gründe vorausgeschickt werden. Wenn die Versammlung bedacht ist, dem Dringlichkeitsvorschlag Folge zu geben, bestimmt sie den Zeitpunkt, zu dem ihr der Bericht über die Dringlichkeit vorgelegt werden soll. Auf diesen Bericht ernennt die Versammlung die Nothwendigkeit, und erklärt und bestimmt den Zeitpunkt der Diskussion. 
Entscheidet sie, daß keine Dringlichkeit vorliegt, so folgt der Vorschlag dem Gang der gewöhnlichen Anträge.

Kapitel V. Die vollziehende Gewalt.

Artikel Das französische Volk überträgt die vollziehende Gewalt einem Bürger, welcher den Titel Präsident der Republik erhält.

Artikel 44. Der Präsident muß geborener Franzose und wenigstens 30 Jahre alt sein, und darf nie seine Eigenschaft als Franzose verloren haben.

Artikel 45. Der Präsident der Republik wird auf vier Jahre gewählt, und ist erst nach einer Zwischenzeit von vier Jahren wieder wählbar. Eben so wenig können nach ihm in derselben Zwischenzeit, weder der Vice-Präsident noch irgend einer seiner Verwanden oder Verschwägerten bis einschließlich sechsten Grades gewählt werden.

Artikel 46. Die Wahl findet von Rechts wegen am zweiten Sonntag des Monats Mai statt. Im Falle, daß in Folge des Todes, des Rücktritts oder einer anderen Ursache, der Präsident zu einer anderen Zeit gewählt werden sollte, so geht seine Amtszeit am zweiten Sonntage des Monats Mai im vierten Jahre nach seiner Wahl zu Ende. Der Präsident wird im geheimen Scrutinum und mit absoluter Stimmenmehrheit, durch direkte Stimmabgabe sämmtlicher Wähler der französischen Departements und Algeriens ernannt.

Artikel 47. Die Protokolle über die Abwicklung der Wahlen sind alsbald der Nationalversammlung zu übermachen, welche ohne Aufschub die Gültigkeit der Wahl feststellt und den Präsidenten der Republik ausruft. Wenn kein Kandidat mehr als die Hälfte der eingelieferten  Stimmen, und zum wenigsten zwei Millionen Stimmen erhalten hat, oder wenn die Bedingungen, welche Artikel 44 vorschreibt, nicht erfüllt sind, so wählt die Nationalversammlung den Präsidenten der Republik durch Stimmenmehrheit und im geheimen Scrutinum unter den fünf wählbaren Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben.

Artikel 48. Bevor er seine Amtsverrichtung antritt, legt der Präsident der Republik in der Mitte der Nationalversammlung folgenden Eid ab: „In der Gegenwart Gottes, und vor dem durch die Nationalversammlung vertretenen französischen Volke schwöre ich, der einen und untheilbaren demokratischen Republik treu zu bleiben und alle Pflichten zu erfüllen, welche die Verfassung mir auferlegt.“

Artikel 49. Er hat das Recht durch die Minister der Nationalversammlung Gesetzentwürfe vorlegen zu lassen. Er überwacht und gewährleistet die Ausführung der Gesetze.

Artikel 50. Er verfügt über bewaffnete Streitkräfte, ohne sie jemals persönlich zu kommandiren.

Artikel 51. Er kann keinen Theil des Gebiets abtreten, noch die Nationalversammlung auflösen oder vertagen, noch auf irgend eine Art die Herrschaft der Verfassung und der Gesetze suspendiren.

Artikel 52. Er legt alljährlich der Nationalversammlung in einer Botschaft einen Bericht über den allgemeinen Stand der Angelegenheiten der Republik vor.

Artikel 53. Er unterhandelt und ratifiziert Staatsverträge. Kein Staatsvertrag ist definitiv, solange er nicht die Genehmigung der Nationalversammlung erhalten hat.

Artikel 54. Er wacht über die Vertheidigung des Staates, kann jedoch keinen Krieg unternehmen ohne die Zustimmung der Nationalversammlung.

Artikel 55. Er hat das Recht zu begnadigen, aber er kann dieses Recht nicht ausüben, ohne vorher das Gutachten des Staatsrathes eingeholt zu haben. Amnestien können nur durch ein Gesetz bewilligt werden.  Der Präsident der Republik, die Minister sowie alle anderen Personen, die durch den Obergerichtshof verurtheilt wurden, können nur durch die Nationalversammlung begnadigt werden.

Artikel 56. Der Präsident der Republik veröffentlicht die Gesetze im Namen des französischen Volkes.

Artikel 57. Die Dringlichkeitsgesetze sind binnen einer Frist von drei Tagen, und die anderen Gesetze während Monatsfrist, vom Tage ihrer Annahme durch die Nationalversammlung zu veröffentlichen.

Artikel 58. In der für die Veröffentlichung bestimmten Frist, kann der Präsident der Republik, durch eine motivirte Botschaft eine neue Berathung verlangen. Die Versammlung berathet; ihr Beschluß ist endgültig und er wird dem Präsidenten der Republik überbracht. In diesem Falle hat die Veröffentlichung in den für die Dringlichkeitsgesetze bestimmten Fristen statt zu finden.

Artikel 59. Unterbleibt die Veröffentlichung durch den Präsidenten der Republik in den durch die vorhergehenden Artikel bestimmten Fristen, so erfolgt dieselbe durch den Präsidenten der Nationalversammlung.

Artikel 60. Die Gesandten und Botschafter auswärtiger Mächte werden bei dem Präsidenten der Republik accreditirt.

Artikel 61. Er präsidirt bei den Nationalfeierlichkeiten.

Artikel 62.  Er wohnt auf Kosten der Republik, und erhält einen Jahrgehalt von sechshunderttausend Franken.

Artikel 63. Er residirt an dem Orte, an welchen die Nationalversammlung ihre Sitzungen hält, und kann das Gebiet der Republik nicht verlassen, ohne durch ein Gesetz dazu ermächtigt zu werden.

Artikel 64. Der Präsident der Republik ernennt und entläßt die Minister. Er ernennt und entläßt im Ministerrathe, die Beamten im diplomatischen Dienst, die Oberbefehlshaber der Land- und Seestreitkräfte, die Präfekte, den Oberkommandanten der Nationalgarde der Seine, die Gouverneure von Algerien und der Kolonien, die Generalprokuratoren und andere Beamte höheren Ranges. 
Er ernennt und entläßt, auf Antrag des berufenen Ministers, unter den durch das Gesetz bestimmten regelmäßigen Bedingungen, die untergeordneten Beamten der Regierung. 

Artikel 65. Er hat das Recht, für eine Zeit, welche drei Monate nicht übersteigen darf, die von den Bürgern gewählten Beamten der vollziehenden Gewalt zu suspendiren. Er kann sie aber nicht entlassen, als mit Zustimmung des Staatsraths. Das Gesetz bestimmt die Fälle, wo die entlassenen Beamten als zu den gleichen Aemtern wählbar erklärt werden können. Diese Erklärung der Nichtwählbarkeit kann nur durch ein richterliches Urtheil ausgesprochen werden.

Artikel 66. Die Zahl der Minister und ihre Vorrechte werden durch die gesetzgebende Gewalt bestimmt.

Artikel 67. Die Verfügungen des Präsidenten der Republik, außer wenn sie die Ernennung und Entlassung der Minister betreffen, haben nur dann Gültigkeit, wenn sie von einem Minister kontrasignirt sind.

Artikel 68. Der Präsident der Republik, die Minister, die Beamten und Inhaber der öffentlichen Gewalt sind, jeder so weit als es ihn betrifft, für alle Verfügungen der Regierung und der Verwaltung verantwortlich. Jede Maßregel, durch welche der Präsident der Republik die Versammlung auflöst oder vertagt, oder sie in der Ausübung ihres Mandats hindert, ist ein Verbrechen des Hochverraths. Durch eine solche That ist der Präsident seiner Amtsverrichtungen verlustig; die Bürger sind gehalten, ihm den Gehorsam zu verweigern; die vollziehende Gewalt geht von Rechts wegen auf die Nationalversammlung über. Die Richter des Obergerichtshofs versammeln sich unverzüglich bei Strafe der Pflichtvergessenheit; sie berufen an den Ort, welchen sie bezeichnen, um zur Aburtheilung des Präsidenten und seiner Mitschuldigen zu schreiten; sie ernennen selbst die obrigkeitlichen Personen, welche mit den Verrichtungen der öffentlichen Anklage beauftragt sind. Ein Gesetz bestimmt die Fälle der Verantwortlichkeit, so wie die Formen und Bedingungen des Verfahrens.

Artikel 69. Die Minister haben Zutritt zur Nationalversammlung; sie werden angehört, so oft sie es verlangen, und können sich durch Kommissäre assistiren lassen, welche durch eine Verordnung des Präsidenten der Republik ernannt werden.

Artikel 70. Es gibt einen Vice-Präsidenten der Republik, welcher von der Nationalversammlung, auf Vorschlag dreier Kandidaten durch den Präsidenten, in dem Monat ernannt wird, der auf dessen Erwählung folgt. Der Vice-Präsident legt denselben Eid ab wie der Präsident. Der Vice-Präsident kann nicht aus der Mitte der Verwandten oder Verschwägerten bis einschließlich sechsten Grades des Präsidenten gewählt werden.  Im Fall der Verhinderung des Präsidenten ersetzt denselben der Vice-Präsident. Wird das Präsidentenamt durch den Tod oder Rücktritt des Präsidenten bzw. auf andere Weise frei, so ist binnen Monatsfrist zur Wahl eines Präsidenten zu schreiten.

Kapitel VI. Der Staatsrath.

Artikel 71. Es soll einen Staatsrath geben, bei welchem der Vice-Präsident von Rechts wegen Präsident ist. 

Artikel 72. Die Mitglieder des Rathes werden auf sechs Jahre von der Nationalversammlung ernannt. Sie werden zur Hälfte in den zwei ersten Monaten jeder gesetzgebenden Versammlung, durch geheime Abstimmung und mit absoluter Mehrheit erneuert. Sie sind immer wieder wählbar.

Artikel 73. Diejenigen Mitglieder des Staatsrathes, die aus der Mitte der Nationalversammlung genommen werden, werden unverzüglich als Volksrepräsentanten ersetzt.

Artikel 74. Die Mitglieder des Staatsraths können nur durch die Versammlung und auf den Vorschlag des Präsidenten der Republik abberufen werden.

Artikel 75. Der Staatsrath wird über die Gesetzentwürfe der Regierung zu Rathe gezogen, welche, nach dem Gesetz, seiner vorgängigen Prüfung unterworfen werden müssen, sowie über parlamentarische Antrags-Entwürfe, welche die Versammlung ihm überweist. Er bereitet die Verordnungen der öffentlichen Verwaltung vor; er erstellt allein diejenigen unter diesen Verordnungen, in deren Betreff ihm die Nationalversammlung besondern Auftrag gegeben hat. Er übt hinsichtlich der öffentlichen Verwaltung, alle Vollmacht der Kontrolle und Beaufsichtigung, welche ihm durch das Gesetz überwiesen ist. Das Gesetz wird seine andern Befugnisse feststellen. 

Kapitel VII. Die innere Verwaltung.

Artikel 76. Die Eintheilung des Landes in Departements, Bezirke, Kantone und Gemeinden ist beizubehalten. Die bestehenden Umgränzungen können nur durch das Gesetz geändert werden.

Artikel 77.

Es gibt:

1) in jedem Departement eine Verwaltung, zusammengesetzt aus einem Präfekten, einem Generalrath und einem Präfekturrath; 
2) in jedem Bezirk einen Unterpräfekten; 
3) in jedem Kanton einen Kantonsrath; doch soll in den Städten, die in mehrere Kantons geschieden sind, nur ein einziger Kantonsrath errichtet werden; 
4) in jeder Gemeinde eine Verwaltung, bestehend aus einem Bürgermeister, seinen Stellvertretern und einem Gemeinderath.

Artikel 78. Ein Gesetz bestimmt die Zusammensetzung der Generalräthe, der Kantonsräthe, der Gemeinderäthe, und die Art der Ernennung der Bürgermeister und ihrer Stellvertreter.

Artikel 79. Die allgemeinen Räthe und die Gemeinderäthe werden durch direkte Abstimmung aller, im Departement oder der Gemeinde wohnhaften Bürger gewählt.  Jeder Kanton wählt ein Mitglied des allgemeinen Raths. Ein spezielles Gesetz wird den Wahlmodus im Departement der Seine, in der Stadt Paris, und in den Städten von über zwanzigtausend Seelen regeln.

Artikel 80. Die allgemeinen Räthe, die Kantons- und Gemeinderäthe können, auf Bericht des Staatsraths, von dem Präsidenten der Republik aufgelöst werden. Das Gesetz bestimmt die Frist, binnen welcher zur neuen Wahl geschritten werden soll.

Kapitel VIII. Von der richterlichen Gewalt.

Artikel 81. Das Recht wird unentgeldlich im Namen des französischen Volkes gesprochen. Die Verhandlungen sind öffentlich, es sei denn, daß die Oeffentlichkeit gefährlich für die Ordnung oder die Sitten werden könnte, in welchem Falle es der Gerichtshof durch ein Gutachten erklärt.

Artikel 82. Das Geschwornengericht wird fortwährend in Kriminalsachen angewendet.

Artikel 83. Die Entscheidung über alle politischen Verbrechen, so wie über alle Verbrechen, welche durch die Presse verübt werden, steht ausschließlich dem Geschwornengerichte zu. Die Organisationsgesetze bestimmen die Kompetenz in Injurien- und Verläumdungssachen gegen Privaten.

Artikel 84. Das Geschworenengericht erkennt allein über den Schadenersatz, der wegen Preßsachen und Preßvergehen beantragt wird.

Artikel 85. Die Friedensrichter und ihre Ersatzmänner, die Richter der ersten Instanz und des Appellationsgerichts, die Mitglieder des Kassationshofes und der Rechnungskammer werden von dem Präsidenten der Republik ernannt, nach einer Folge der Kandidatur oder nach Bedingungen, welche durch das Organisationsgesetz geregelt sind.

Artikel 86. Die Beamten der Staatsanwaltschaft werden von dem Präsidenten der Republik ernannt.

Artikel 87. Die Richter erster Instanz und die der Appellationsgerichte, die Mitglieder des Kassationshofs und der Rechnungskammer werden auf Lebenszeit ernannt. Sie können nicht anders entlassen oder suspendirt werden, als durch richterliches Erkenntniß, noch in Ruhestand versetzt werden, als aus Ursachen und nach den Formen, wie solche die Gesetze bestimmen.

Artikel 88. Die Kriegs- und Revisionsgerichte der Land- und Seestreitkräfte, die Seegerichte, die Handelsgerichte, die Sachverständigen und andere Spezialgerichte behalten ihre gegenwärtige Organisation und ihre Befugnisse, bis durch ein Gesetz anders darüber entschieden wird.

Artikel 89. Die Befugnißstreitigkeiten zwischen der Verwaltungsbehörde und der richterlichen Behörde wird durch ein besonderes Tribunal geregelt, das aus Mitgliedern des Kassationshofs und des Staatsraths besteht, welche alle drei Jahre in gleicher Zahl von den betreffenden Körpern erwählt werden. In diesem Tribunal führt der Justizminister den Vorsitz.

Artikel 90. Die Regresse wegen Inkompetenz und Mißbrauch der Gewalt gegen die Beschlüsse der Rechnungskammer werden vor den Gerichtshof der Konflikte gebracht.

Artikel 91. Ein Obergerichtshof entscheidet, ohne Appellation oder Kassations-Rekurs, über Anklagen der Nationalversammlung gegen den Präsidenten der Republik oder die Minister. Er entscheidet eben so über alle Personen, die wegen Verbrechen, Frevelthaten oder Anschläge gegen die innere und äußere Sicherheit des Staats angeklagt, und von der Nationalversammlung ihm überwiesen sind. Unbeschadet der im Artikel 68 vorgesehenen Fälle, kann er nur Kraft eines Dekrets der Nationalversammlung in Anspruch genommen werden, welche die Stadt bezeichnet, in welcher der Hof seine Sitzungen halten soll.

Artikel 92. Der Obergerichtshof besteht aus fünf Richtern und auch sechs und dreißig Geschworenen. Jedes Jahr, in den ersten Tagen des Monats November, ernennt der Kassationshof aus seiner Mitte, mittelst geheimer Abstimmung und absoluter Stimmenmehrheit, die Richter des Obergerichtshofs und deren Ersatzmänner.  Die fünf Richter, welche definitiv Sitzung halten, wählen ihren Präsidenten. Die Beamten, welche die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft versehen, werden von dem Präsidenten der Republik, und, im Fall der Präsident oder die Minister in Anklagestand versetzt wären, von der Nationalversammlung bezeichnet. Die Geschworenen, sechs und dreißig an der Zahl, und vier stellvertretende Richter, werden aus der Mitte der allgemeinen Räthe der Departementes genommen. Die Volksrepräsentanten können nicht dazu ernannt werden.

Artikel 93. Wenn ein Dekret der Nationalversammlung die Bildung des Obergerichtshofs angeordnet hat, und in dem durch Artikel 68 vorgesehenen Fall, auf Verlangen des Präsidenten oder eines der Richter, zieht der Präsident des Appellationsgerichts, oder in Ermangelung dieses Gerichtshofs, der Präsident des Tribunals erster Instanz des Departements, durchs Loos in öffentlicher Sitzung den Namen eines Mitglieds des allgemeinen Raths.

Artikel 94. Wenn an dem zur Aburtheilung bestimmten Tage weniger als sechszig Geschworene anwesend sind, so wird diese Zahl durch Ersatzmänner ergänzt, welche der Präsident des Obergerichtshofs aus den Mitgliedern des allgemeinen Raths des Departements, in welchem der Hof sitzt, durch das Loos wählt.

Artikel 95. Die Geschworenen, welche sich nicht rechtsgültig entschuldigen können, werden zu einer Geldbuße von tausend bis zehntausend Franken verurtheilt, und sind ihrer politischen Rechte bis auf höchstens fünf Jahre verlustig.

Artikel 96. Der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft üben das Verwerfungsrecht aus, wie in gewöhnlichen Fällen.

Artikel 97. Der Ausspruch des Geschworenengerichts, welcher den Angeklagten für schuldig erklärt, kann nicht anders als durch eine Majorität von zwei Dritteln der Stimmen erkannt werden.

Artikel 98. In allen Verantwortlichkeitsfällen der Minister kann die Nationalversammlung, je nach den Umständen, die beschuldigten Minister vor den Obergerichtshof oder vor die gewöhnlichen Gerichte wegen des Schadenersatzes verweisen.

Artikel 99. Die Nationalversammlung und der Präsident der Republik können in allen Fällen eine Untersuchung der Handlungen aller Beamten, mit Ausnahme des Präsidenten der Republik, dem Staatsrath zuweisen, dessen Bericht zu veröffentlichen ist.

Artikel 100. Der Präsident der Republik kann nur dem Gerichtszwange des Obergerichtshofs unterworfen werden;  er kann, mit Ausnahme des in Artikel 68 vorgesehenen Falles, nur auf eine Anklage der Nationalversammlung wegen Verbrechen und Vergehen in Untersuchung gezogen werden, die im Gesetze bestimmt sind.

Kapitel IX. Von der öffentlichen Macht.

Artikel 101. Die öffentliche Macht ist eingesetzt, um den Staat gegen äußere Feinde zu vertheidigen, und im Innern die Aufrechthaltung der Ordnung und die Vollziehung der Gesetze zu sichern. Sie besteht aus der Nationalgarde und aus der Land- und Seemacht.

Artikel 102. Jeder Franzose, vorbehältlich der durch Gesetz bestimmten Ausnahmen, ist zum Militärdienste, so wie zu dem der Nationalgarde verpflichtet. Die Befugniß jedes Bürgers, sich von dem persönlichen Militärdienste zu befreien, wird durch das Rekrutirungsgesetz geregelt.

Artikel 103. Die Organisation der Nationalgarde und die Verfassung der Armee werden durch Gesetz geregelt.

Artikel 104. Die öffentliche Macht ist durchaus gehorsam. Kein bewaffnetes Korps darf berathschlagen.

Artikel 105. Die öffentliche Macht, wenn sie durch Aufrechthaltung der innern Ordnung verwandt wird, schreitet nur auf Verlangen der ordentlichen Behörden, nach den durch die gesetzgebende Gewalt bestimmten Regeln, ein.

Artikel 106. Ein Gesetz bestimmt die Fälle, in welchen der Belagerungszustand erklärt werden kann, und setzt die Formen und Wirkungen dieser Maßregel fest.

Artikel 107. Kein fremdes Heer darf das französische Gebiet betreten, ohne vorhergegangene Einwilligung der Nationalversammlung.

Kapitel X. Besondere Bestimmungen.

Artikel 108. Die Ehrenlegion ist beibehalten; ihre Statuten werden revidirt und in Einklang mit der Verfassung gebracht.

Artikel 109. Das Gebiet Algeriens und der Kolonien ist als französisches Gebiet erklärt, und wird nach besonderen Gesetzen verwaltet, bis ein spezielles Gesetz sie unter die Herrschaft gegenwärtiger Verfassung stellt.

Artikel 110. Die Nationalversammlung vertraut die Wahrung gegenwärtiger Verfassung und die Rechte, welche sie heiligt, der Obhut und dem Patriotismus aller Franzosen an.

Kapitel XI. Von der Revision der Verfassung.

Artikel 111. Wenn in dem letzten einer gesetzgebenden Versammlung der Wunsch ergeht, daß die Verfassung ganz oder theilweise abgeändert werde, so wird auf folgend Art zu dieser Revision geschritten: Der durch die Versammlung ausgesprochene Wunsch wird erst zum definitiven Beschluß erhoben, nachdem in drei auf einander folgenden Berathungen, die jede in Zwischenzeiten von je einem Monat stattfinden, drei Viertel der Stimmen sich dafür erklären.  Die Zahl der Stimmenden muß wenigstens fünfhundert betragen. Die Revisionsversammlung wird nur auf drei Monate ernannt.  Sie kann sich nur mit der Revision beschäftigen, zu welcher sie einberufen wurde.  Nichtsdestoweniger darf sie auch, im Dringlichkeitsfall, gesetzliche Nothwendigkeiten erledigen.

Kapitel XII. Vorübergehende Bestimmungen.

Artikel 112. Die Bestimmungen der Gesetzbücher, der Gesetze und bestehenden Verordnungen, welche der gegenwärtigen Verfassung nicht widerstreiten, bleiben rechtskräftig, bis sie gesetzlich aufgehoben sind. 

Artikel 113. Alle durch die bestehenden Gesetze konstituirten Behörden bleiben im Amte bis zur Verkündigung der sie betreffenden Organisationsgesetze.

Artikel 114. Das Organisationsgesetz des Gerichtswesens bestimmt die spezielle Ernennungsweise für die erste Zusammensetzung der neuen Gerichtshöfe. 

Artikel 115. Nach der Abstimmung der Verfassung wird die konstituirende Versammlung zur Abfassung der Organisationsgesetze schreiten, welche durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden. 

Artikel 116. Es wird zur ersten Wahl des Präsidenten der Republik geschritten werden, gemäß dem Spezialgesetz, welches am 28. Oktober 1848 von der Nationalversammlung erlassen wurde.

Stand : 15 Dezember 2022