Als das Hôtel d’Évreux, der heutige Élysée-Palast, 1718 erbaut wurde, stand es zunächst frei vor den Toren von Paris, denn seine direkte Umgebung war noch unbebaut. Erst im Jahr 1753, als Madame de Pompadour es erwarb, erhielt die Residenz einen Nachbarn: Auf dem Grundstück des heutigen Hôtel de Marigny wurde das Hôtel Dufort errichtet und kurz darauf von der Marquise d‘Argenson angekauft, die ihm ihren Namen gab. 

Von der Französischen Revolution bis zum Ende der 1860er-Jahre wechselte das Palais mehrmals den Besitzer und erfuhr dabei auch zahlreiche architektonische Umgestaltungen, bevor es von der Herzogin von Bauffremont in Form zweier Grundstücke – Rue du Cirque Nr. 14 und Avenue de Marigny Nr. 21 – mit je einem Prachtbau an den Baron Gustave de Rothschild verkauft wurde. 

Bei ihrem Einzug im Jahr 1869 nahm die Familie Rothschild umfangreiche Umbauten vor und führte die beiden Grundstücke ebenso zusammen wie die zwei Bauwerke, die so einheitlich im Stil des 18. Jahrhunderts umgestaltet wurden, dass man die Reste der früheren Bauten nicht mehr vom heutigen Palais unterscheiden kann.

Das neu entstandene Gebäude entsprach nicht dem klassischen Grundriss eines Stadtpalais, denn das ausgesprochen schmale Grundstück erforderte eine vertikale Auslegung. In Ermangelung von Seitenflügeln oder Nebengebäuden wurden die verschiedenen Servicebereiche auf die Untergeschosse und das Dachgeschoss verteilt. Die Inneneinrichtung war im Stil Ludwigs XV. und Ludwigs XVI. gehalten, der im Zweiten Kaiserreich nach wie vor sehr gefragt war, setzte aber zusätzlich auf modernen Komfort mit Zentralheizung und Toiletten.

Getreu ihrer langjährigen Familientradition als Sammler und Mäzene machten die Rothschilds ihre Pariser Residenz zu einer Hochburg ihrer Kunstsammlungen. Der blaue Salon erhielt bald den Namen „Kuriositätengalerie“. Doch die Rothschilds unterstützten auch zeitgenössische Künstler, von denen sie einige Räume ausstatten ließen. So gestaltete der berühmte Plakatmaler Leonetto Cappielo die Decke des Boudoirs, die heute unter einem neueren Dekor verborgen ist.

Während der deutschen Besatzung wurde das Palais vom NS-Regime beschlagnahmt. Glücklicherweise wurden die Kunstwerke rechtzeitig in Sicherheit gebracht, ein Teil davon wurde in das Département Lot verschickt. Nach dem Tod von Robert de Rothschild im Jahr 1946 beanspruchten seine beiden Söhne das Hôtel de Marigny erneut und unternahmen Instandsetzungsarbeiten. 

Erst 1971 trennte sich die Familie Rothschild vom Palais, das auf Betreiben von Staatspräsident Georges Pompidou vom Präsidialamt erworben wurde. Seither dient das Hôtel de Marigny als Residenz für ausländische Staats- und Regierungschefs, die in Frankreich zu Gast sind. Diese Funktion übernahm es vom Grand Trianon, das ab 1959 dafür genutzt wurde. 1995 wurden unter dem Gebäude ein Parkhaus gebaut und zahlreiche Büros und Sitzungsräume eingerichtet. 

Gartenseitige Fassade des Hôtel de Marigny

Präsentation der Amtsgebäude und Residenzen des französischen Staatspräsidenten

Stand : 15 Dezember 2022