Jean-François Delhay, Architekt der Gebäude Frankreichs (Architecte des Bâtiments de France)
Seit der Errichtung des Palasts im Jahr 1718 kann man von einem Ensemble sprechen, das insgesamt sehr kohärent geblieben ist, dem zentralen Pavillon, also dem eigentlichen Hôtel d'Évreux, das sich seine Volumetrie und seinen Ehrenhof im Großen und Ganzen erhalten hat. Dieses Ensemble erweckt heute glaube ich einen ziemlich ähnlichen Eindruck wie damals, zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Ich glaube, man würde dieses Gebäude wiedererkennen. Alles, was die Nebengebäude angeht, insbesondere die Wirtschaftsgebäude und die Seitenhöfe dieses Ehrenhofes, wurde durch einfache Wände mit Arkaden eingegrenzt, ganz im Stil des Architekten Pierre Lescot, der den gleichnamigen Pavillon des Louvre entwarf. Hinter diesen Wänden befanden sich die Stallungen, die so vom Rest abgetrennt werden konnten, aber im hinteren Bereich des Hofes blieben. Heute hingegen gibt es zweistöckige Höfe. Diese Wirtschaftsgebäude wurden zur Zeit Napoleons III. vollständig rationalisiert. Hierzu zählen z. B. sämtliche Prunksalons: der Salon Napoleon III., der Wintergarten und der Festsaal – wichtige Räume, die Mitte des 19. Jahrhunderts hinzugekommen sind. Oder der ganze Ostflügel, der sogenannte Privatflügel, im dem sich u. a. das Silberne Boudoir und der Salon Paulin befinden, die speziell zu Ende des 18. Jahrhunderts erweitert und später noch weiter aufgestockt wurden.
Man kann also sagen, dass vom Jahr 1718 nur der Mittelpavillon in seinen Außenabmessungen intakt geblieben ist. Wobei damals, als der Herzog de la Tour d’Auvergne das Bauwerk errichten ließ, dieser nur das Erdgeschoss bewohnte. D. h. die Obergeschosse, also der erste Stock und das Dachgeschoss, waren damals ein noch ungenutztes Immobilienvolumen und wurden erst später von Madame de Pompadour eingerichtet.
Ursprünglich handelte es sich um eine sog. Achskomposition. Wenn man den Palast über den Ehrenhof betrat, stand man zunächst vor einem Peristyl, das vollkommen offen war, also keine Fenster besaß, und vor allem stand man vor einer Achstür, über die man in den heutigen Botschaftersalon gelangte. Heute ist all das geschlossen. Wenn man an diesem Treppenabsatz angelangt ist und der Staatspräsident ein ausländisches Staatsoberhaupt empfängt, nimmt er entweder die Murat-Treppe links oder er geht nach rechts zum Tapisseriesalon. Die einstige Achskomposition, die sich zum Hauptraum und von dort zum Park hin öffnete, gibt es nicht mehr.
In der derzeitigen Konfiguration ist Napoleon III. eindeutig der Bewohner des Palasts, dessen Eingriffe am stärksten spürbar sind. Er erklärte den Ort bereits damals zur Residenz für Staatschefs; man kann also sagen, er ist der erste Staatschef, der hier residiert hat und den Palast gleichzeitig zu einem Veranstaltungsort für offizielle Empfänge umfunktionierte. Er strukturierte den Palast von Grund auf neu, vor allem erneuerte er sämtliche Böden im ersten Stock, die in einem sehr schlechten Zustand waren, und ließ die Verzierungen erneuern, da auch sie sehr stark beschädigt waren. Interessant ist übrigens, dass teilweise Kopien angefertigt wurden – so ist beispielsweise der Kamin im Goldenen Salon, also dem heutigen Büro des französischen Staatspräsidenten, die Kopie eines Kamins von Versailles, aus der Zeit Ludwigs XVI., wenn ich mich nicht irre. Die Ausstattung wurde also neu gestaltet, indem bestehendes Dekor mithilfe von Abdrücken kopiert wurde. Ebenfalls interessant ist, dass die Zierleisten im Goldenen Salon denen des Salon Pompadour im Erdgeschoss nachgebildet sind. Napoleon III. ließ den nach ihm benannten Salon ausstatten, die Großküche einbauen, die Stallungen und Wirtschaftsgebäude abreißen und neu errichten. Außerdem ließ er die Höfe über ihre gesamte Fläche pflastern, nicht nur entlang der Außenfassaden.
Die große Originalität des Hôtel d’Évreux besteht darin, dass es die Architektur des beginnenden 18. Jahrhunderts zeigt, die der Erschließung der Champs-Élysées durch große Herrenhäuser entspricht. Typisch dafür ist ein straßenseitiges Gebäude mit einem riesigen Park, der auf die Champs-Élysées ausgerichtet ist. Und das Hôtel d'Évreux zählt neben der englischen Botschaft, dem Cercle de l‘Union Interalliée, der amerikanischen Botschaft und der Residenz des amerikanischen Botschafters zu den wenigen Gebäuden, die bis heute Parks mit einer Ausrichtung auf die Champs-Élysées aufweisen. Doch das Hôtel d'Évreux besitzt gegenüber den anderen eine kleine Ausbuchtung, die von der Marquise de Pompadour erkämpft und damals übrigens lautstark kritisiert wurde. Der riesige Park, der heute ein englischer Garten ist, macht den Élysée-Palast zu einem herausragenden Anwesen.
Michel Goutal, leitender Architekt für historische Bauwerke (monuments historiques)
Eigentlich handelt es sich nicht wirklich um ein Herrenhaus. Das ist das Besondere am Élysée-Palast: Er ist einerseits wohl ein Herrenhaus, andererseits aber auch ein Schloss. Ganz einfach deshalb, weil er geografisch gesehen mit einem Fuß in der Stadt stand, mit dem anderen auf dem Land. Man muss sich vorstellen, dass die Champs-Élysées eine Reiterallee durch ein Wäldchen waren. Wenn man also die Auslegung der ursprünglichen Gärten betrachtet, sah man die Fassade zum Park hin nicht hinter einem Gitter – es gab damals einen so genannten Ha-Ha – denn man sollte sich an dem, was man vor Augen hatte, erfreuen, später nannte man das einen Wolfssprung, also einen Graben, der ein Gitter unnötig machte. Also hatte man Einblick in den Park von einer Reiterallee aus, einer Art Waldweg. Aufgrund seiner Abmessungen wirkte es praktisch wie ein Schloss. Würde ich den Élysée-Palast aufs Land verpflanzen, so hätte ich ein hübsches Schloss vor mir. Es ist ein gigantisches Herrenhaus, das von sehr reichen Leuten errichtet und gestaltet wurde. Das war schon sehr bemerkenswert. Die Tatsache, dass es nicht auf einem Grundstück in der Stadt Paris stand, machte es im Hinblick auf die Parkgestaltung besser zugänglich. Und selbst der Park, man sieht ja, dass es nicht der Park eines Herrenhauses ist. Es ist schon ein Park für ein Schlösschen. Wenn ich statt den Champs-Élysées einen Wald daneben stelle, dann wirkt der Garten wie ein kleiner Schlosspark.
Seit rund fünfzehn Jahren wurden umfangreiche Arbeiten an der gesamten Innenausstattung vorgenommen. Das gilt für den Festsaal, aber auch für alle gartenseitigen Salons im Erdgeschoss. Sie alle wurden restauriert. Im ersten Stock wurde wie gesagt auch das Büro des Präsidenten restauriert, und diesen Sommer werden wir uns um den Grünen Salon kümmern, der sich neben dem des Präsidenten befindet, und dabei die technische Ausstattung erneuern. Es wird lediglich der Boden erneuert, um technische Leitungen zu verlegen, außerdem wird der Salon generalgereinigt, denn er wurde ja bereits 2007 restauriert. Es sind also nur Retuschierungen. Alle diese Salons sind in Verwendung, deshalb werden die Böden durch das ständige Reiben der Stühle beschädigt. Das werden wir instand setzen und all das, was am Boden 2007 nicht behandelt wurde, kommt diesmal auf alle Fälle dran mit einer dauerhaften Holzbehandlung. Danach ist für die kommenden fünfzehn Jahre erst mal alles in Ordnung.
Als wir den Treppenabsatz der Ehrentreppe restaurierten, lag da ein Parkettboden, der durch einen Steinboden ersetzt wurde, wie er ursprünglich vorhanden war. Als wir die Parkettleisten hochhoben, haben wir bemerkt, dass manche von ihnen mit Papier befestigt waren, das von Frau Auriol signiert war, wir wussten also, von wann dieser Parkettboden stammte. Durch die Unterschrift von Frau Auriol konnten wir ihn datieren. [Anm.: Vincent Auriol, frz. Staatspräsident 1947-1954]
Meine herausragendste Erinnerung sind die Bauarbeiten von 2011, als wir den Ehrenhof, den Salon Murat, den Botschaftersalon und das Hahnengitter – den Eingang zum Park – renoviert haben. All das innerhalb von 23 Tagen, das war schon eine reife Leistung.