Seit 1880 feiert die Republik Jahr für Jahr am 14. Juli das Fest der Nation. Was genau wird dabei gefeiert? Wie kam es, dass dieser Tag gewählt wurde? Was hat er für eine Bedeutung?
14. Juli 1789
Der Sturm auf die Bastille, vom Aufstand gegen das Ancien Régime zum Mythos der Revolution
Im kollektiven Volksverständnis ist die Bastille ein furchterregendes Symbol des königlichen Absolutismus bzw. der juristischen Willkür, erfüllt vom Martyrium zahlloser Gefangener, die ohne Aussicht auf Befreiung im Schatten undurchdringlicher Mauern dahinsiechten. In Wirklichkeit hatte diese von König Karl V. zur Verteidigung des Pariser Stadttors Porte Saint-Antoine errichtete Festung, die eine Zeitlang als Gefängnis diente, im Laufe des 18. Jahrhunderts an Bedeutung verloren. Als die Bastille nach ihrer Eroberung bzw. Übergabe infolge der Kapitulation ihrer Garnison geöffnet wurde, fand das Pariser Volk darin nur sieben Gefangene, vier davon Urkundenfälscher.
Die Symbolkraft dieses Ereignisses liegt weniger im Erfolg des Sturmes selbst begründet als in seiner Interpretation durch die Nachwelt. In diesem Juli 1789 war die Bevölkerung von Paris in Aufruhr und Angst vor den Truppen, die um die Hauptstadt zusammengezogen wurden. Sorge bereitete auch die Lebensmittelknappheit, die den Brotpreis in die Höhe schnellen ließ. Am 12. Juli, einem Sonntag, sorgte die Nachricht von der Entlassung des beliebten Finanzministers Necker für allgemeine Erregung, nicht aus Sympathie für den Minister, sondern vielmehr aus Furcht vor einer Stärkung der königlichen Autorität. Camille Desmoulins rief im Hof des Palais Royal die aufgebrachte Menge zur Revolte auf. Spontane Demonstrationen zur Unterstützung Neckers erfüllten die Straßen, und als in den Tuilerien ein deutsches Regiment eingriff, gab es Verletzte. Tags darauf wurden am frühen Morgen Zollbarrieren in Brand gesetzt, und das Gefängnis Saint-Lazare wurde geplündert. Im Laufe des Vormittags ernannte das Pariser Rathaus durch Abstimmung des Volkes eine neue Stadtverwaltung und rief eine 40.000 Mann starke Miliz ins Leben, deren Erkennungszeichen eine rot-blaue Kokarde war, in den Farben der Stadt. Doch die neue Miliz war unbewaffnet, deshalb wurden Waffenarsenale geplündert und Piken geschmiedet. Der Gouverneur der Invalidenkaserne wurde aufgefordert, Waffen herauszugeben. Er weigerte sich.
Am Morgen des 14. begab sich die Menge zur Invalidenkaserne, um Waffen zu fordern. Die auf dem Marsfeld stationierten Truppen teilten mit, dass sie den Parisern nicht entgegentreten würden. Diese nahmen nun die Kaserne ein und erbeuteten dort dreißigtausend Gewehre und zwölf Kanonen. Es fehlte jedoch an Munition. Eine erste und zweite Delegation der neuen Pariser Stadtverwaltung wurden von Gouverneur Launay in der Bastille empfangen, die Herausgabe von Waffen und Munitionsvorräten wurde jedoch abgelehnt. Die Menge begann sich vor der Festung zusammenzuscharen. Gegen halb zwei Uhr Nachmittag befahl Launay den Verteidigern der Bastille, das Feuer auf die Menge zu eröffnen. Eine dritte und eine vierte Delegation begaben sich in die Bastille, ebenfalls ohne Erfolg. Ab halb vier Uhr wurden fünf Kanonen, die man am Morgen aus der Invalidenkaserne entwendet hatte, von Infanteristen der französischen Garde vor der Bastille platziert. Gegen fünf Uhr ergab sich die Garnison der Bastille nach einer Zusicherung auf freien Abzug. Die Menge erstürmte die Bastille, erbeutete Munition, plünderte das Archiv und befreite ein paar Gefangene. Die Zahl der Toten des Tages belief sich auf etwa hundert Pariser Bürger. Die Garnison wurde gefangen genommen, Gouverneur Launay von einem jungen Metzger mit einem Taschenmesser geköpft. Der Vorsteher der Pariser Kaufmannschaft, Jacques de Flesselles, dessen Amt dem heutigen Bürgermeister nahe kommt, wurde wegen Verrats ebenfalls ermordet. Ihre beiden Köpfe wurden aufgespießt und bis zum Palais Royal durch Paris getragen. Am selben Abend befahl König Ludwig XVI., der noch nichts vom Sturm auf die Bastille erfahren hatte, den Rückzug der Truppen. Erst am nächsten Morgen wurde der König über die Geschehnisse informiert:
„Ist das eine Revolte?“
Darauf antwortete der Herzog von La Rochefoucauld-Liancourt mit diesem berühmt gewordenen Satz:
„Nein, Sire, das ist eine Revolution.“
14. Juli 1790
Das Föderationsfest, die Nation in Eintracht
Am Tag nach dem Sturm auf die Bastille ernannte Ludwig XVI. La Fayette zum Kommandanten der Pariser Garde, die ins Leben gerufen wurde, um Volksbewegungen zu kanalisieren und die Sicherheit der Pariser zu gewährleisten. Nach demselben Modell schlossen sich in ganz Frankreich Bürgermilizen zu lokalen und regionalen Föderationen zusammen. Zum ersten Jahrestag des Sturms auf die Bastille wollte La Fayette ein nationales Föderationsfest organisieren. Sein Vorschlag wurde von der parlamentarischen Versammlung angenommen, die in dieser Gedenkfeier zum 14. Juli eine Gelegenheit sah, die Einheit aller Franzosen zu feiern.
Am 1. Juli begannen 1200 Arbeiter, das Marsfeld zu einem antiken Zirkus mit fast hunderttausend Plätzen umzugestalten, in dessen Zentrum ein bürgerlicher Altar des Vaterlandes thronte. Aufgrund des großen Zeitdrucks wurde an Menschen aller Gesellschaftsschichten appelliert, sich mit Schaufeln und Schubkarren an den Arbeiten zu beteiligen. Seite an Seite arbeiteten nun Händler und Bürgerliche, Mönche und Aristokraten, La Fayette selbst schuftete in Hemdsärmeln und König Ludwig XVI. verliess seine Residenz im nahen Saint-Cloud, um einen symbolischen Spatenstich vorzunehmen. Auf der Seite des Invalidendoms erhob sich eine Tribüne mit 83 Bannern aus allen Départements, an der Seine wurde ein Triumphbogen errichtet.
Pünktlich ein Jahr nach dem Sturm auf die Bastille marschierten unter Jubelrufen der an den Böschungen versammelten Pariser hunderttausend Föderationsmitglieder zu Trommelklängen auf. Talleyrand hielt eine Messe, bei der dreihundert Priester assistierten. Dann ritt der Marquis von La Fayette auf einem Schimmel ein und sprach im Namen der Nationalgarde einen Schwur aus: Treue zur Nation, zum Gesetz und zum König, Beibehaltung der vom König angenommenen Verfassung, Schutz der Sicherheit der Menschen. Der Präsident der Nationalversammlung, Charles de Bonnay, legte im Namen sämtlicher Abgeordneten und ihrer Wähler einen Eid ab. Ludwig XVI. schwörte einen Eid auf die Verfassung und versprach, das Gesetz anzuwenden und zu achten. Die Menge sprach den Schwur nach. Die Stimmung war geprägt von Jubel, Te Deum und Hochrufen, und die Versammlung zerstreute sich unter begeisterten Umarmungen.
Das darauffolgende Föderationsfest im Jahr 1791 war von dieser Hochstimmung weit entfernt. Die Ereignisse des Frühlings, insbesondere die Flucht des Königs nach Varennes, schufen ein Klima des Misstrauens, sodass die Nationalversammlung ihre Teilnahme verweigerte. Wenige Tage später verschärfte sich die Lage weiter durch das Massaker auf dem Marsfeld.
Die nachfolgenden politischen Systeme ignorierten den 14. Juli: Gefeiert wurden unter Napoleon das Fest des Kaisers am 15. August, während der Restauration wurden Feierlichkeiten zu Ehren des heiligen Karl, des heiligen Ludwig oder des heiligen Philipp abgehalten. Selbst die Zweite Republik wagte es nicht, den 14. Juli wieder aufzugreifen, und zog den 22. September vor.
14. Juli 1880
Der erste Nationalfeiertag
Erst ab Anfang des Jahres 1879 erlangten die Republikaner die Kontrolle über sämtliche Institutionen. Damit die Republik Wurzeln schlagen konnte, mussten Symbole, Rituale und allgemeine Gepflogenheiten etabliert werden. Die Ereignisse der Französischen Revolution wurden zu Gründungsmythen, die eine historische Kontinuität mit der entstehenden Dritten Republik schaffen sollten. Welches Datum, welches Ereignis sollte nun also als Nationalfeiertag gewählt werden? In den Augen der Abgeordneten musste das Volk dabei die Hauptrolle spielen, es sollte ein Befreiungsschlag werden, eine Bekräftigung seiner Souveränität im Streben nach Freiheit, ohne Gewalt und Ausschreitungen. Zwischen 1789 und 1880 boten sich dafür zahlreiche Möglichkeiten.
Die Revolution von 1830 bot den 27., 28. und 29. Juli, fiel aber mit der Rückkehr der Orleanisten an die Macht zusammen.
Der alte Sozialist Louis Blanc sprach sich klar für die Revolution von 1848 aus und schlug den 24. Februar vor, denn an diesem Tag nahmen Geschehnisse ihren Ausgang, die zum allgemeinen Wahlrecht, zur Abschaffung der Sklaverei und zur Einführung der Nationalwerkstätten führten. Allerdings war der soziale Elan des Frühlings 1848 von der Niederschlagung im Juni und Juli 1848, vom Übergang zu einer konservativen Republik und schließlich vom Zweiten Kaiserreich gestoppt worden.
Die Ausrufung der III. Republik am 4. September 1870 hätte allgemeine Zustimmung finden können. Doch diese instabile Republik, die drei Tage nach der Schlacht von Sedan auf fremdem, besetztem Gebiet entstanden war, befand sich schnell wieder in den Händen der Konservativen, und es sollte noch weitere zehn Jahre dauern, bis Republikaner die Institutionen von den Monarchisten übernahmen.
Es blieb also die Französische Revolution. Unter den zahlreichen herausragenden Daten erwies sich die Wahl als heikel. Der 9. Thermidor des Jahres II nach dem Revolutionskalender (27. Juli 1794), dem Sturz der Montagnards und dem Ende der Schreckensherrschaft, war viel zu umstritten, um die gesamte Nation für sich zu gewinnen. Der Sieg von Valmy am 20. September 1792, auf den die Ausrufung der Ersten Republik folgte, fiel terminlich ideal mit dem Beginn des Schuljahres zusammen und lag zudem nach der Weinlese. Allerdings wurde er vom gewaltsamen Sturz der Monarchie am 10. August 1792, dem Tuileriensturm, der Inhaftierung des Königs und den Septembermassakern überschattet. Am besten eignete sich also ganz offenkundig die Aufbruchsstimmung von 1789, um die Franzosen zu einen. Manche sahen im Ballhausschwur vom 20. Juni das geeignete Datum, verewigt durch den Pinsel von Jacques-Louis David. Hierbei handelte es sich jedoch um eine in erster Linie bürgerliche Versammlung des Dritten Standes, die einem monarchischen Wahlmechanismus gehorchte. Aus denselben Gründen wurde der 5. Mai abgelehnt, die Eröffnung der Generalstände. Der 4. August markierte zwar die Nacht der Abschaffung der Privilegien, doch ging diese Initiative hauptsächlich auf adlige und religiöse Abgeordnete zurück und zielte teilweise lediglich darauf ab, die panikartige Angst („la Grande Peur“) der Bevölkerung zu beruhigen. Überraschenderweise fand die Menschen- und Bürgerrechtserklärung vom 26. August keine allgemeine Zustimmung.
In den Debatten setzte sich nun also der 14. Juli durch. Gestützt auf Schriften von Victor Hugo und Michelet, setzen sich die historischen Ereignisse dieses Tages im kollektiven Gedächtnis fest und wurden zu einem Gründungsereignis, dem Sieg des Volkes über die königliche Willkür, erhoben. Überzeugte Republikaner waren empfänglich für die Verherrlichung des Volksheldentums vom 14. Juli 1789, gemäßigte Republikaner und manche Orleanisten hingegen schätzten den einenden Charakter des 14. Juli 1790, der die gewaltsamen Ereignisse des Sturms auf die Bastille milderte und das Pariser Geschehen auf die gesamte Nation ausweitete, im Einklang eines gemeinsamen Projekts.
Am 21. Mai 1880 brachte der Pariser Abgeordnete Benjamin Raspail einen Gesetzesentwurf ein, der am 8. Juni von der Abgeordnetenkammer und am 29. desselben Monats vom Senat angenommen wurde. Das Gesetz wurde am 6. Juli, wenige Tage vor dem ersten Nationalfeiertag, verkündet. Ebenso wie bei hohen Kirchenfesten wurde der 14. Juli zum arbeitsfreien Feiertag erklärt.
Auf den Tribünen der Pferderennbahn Longchamp, die diesmal dem Marsfeld vorgezogen wurde, versammelten sich Staatspräsident, Regierungsmitglieder, gewählte Volksvertreter, ausländische Delegationen und Militärchefs des Landes. Von der Tribüne aus übergaben der Ministerpräsident Jules Ferry, der Präsident der Deputiertenkammer Léon Gambetta und der Senatspräsident Léon Say den salutierenden Soldaten zu Pferd Fahnen (Infanterie) und Standarten (Kavallerie). Um den republikanischen Geist durch die Ränge einer traditionsgemäß konservativen Armee wehen zu lassen, waren die neuen Flaggen mit den Inschriften „République française“, „Honneur et Patrie“ („Ehre und Vaterland“) sowie mit Siegen der Regimente bestickt, während die goldene Spitze der Fahnenstange das Monogramm „R.F.“ (République française) trug. Der Jubel vom 14. Juli 1880 vertrieb die bösen Geister der Demütigung, die 1870 durch den Verlust der Fahnen entstanden war, und stärkte die Verbindung zwischen Armee und Volk. Diese republikanische Feier erwies sich eindeutig als ein Fest ohne Gott: Der Klerus, die Messe und das Te Deum wurden ausgeschlossen.
Die Militärparade vereinigte Bürger aus allen Regionen Frankreichs, einberufen nach dem Prinzip der Konskription. Später am Tag wurden republikanische Banketts, gemeinschaftliche Spiele und öffentliche Tanzveranstaltungen mit Fanfarenklängen eröffnet. Sie veranschaulichten den Jubel über den Sturm auf die Bastille und waren umso fröhlicher, als sie mit dem Ende des Schuljahres und der Feldarbeit zusammenfallen. Fackelzüge und Feuerwerke vervollständigten diesen denkwürdigen 14. Juli 1880.
14. Juli 1919 und 1945
Siegesfeiern
Im Jahr 1919 wurde der 14. Juli besonders feierlich begangen: Die gesamte französische Armee und die Truppen der Bündnismächte, darunter auch tausend Verwundete, marschierten hinter den Marschällen Joffre und Foch von der Avenue de la Grande Armée über die Champs-Élysées bis zum Place de la République. Auch der 14. Juli 1945 stach in der Geschichte hervor, ihm ging ein dreitägiges Volksfest voraus.
Das Zeremoniell im Laufe der Jahre
Jeder Nationalfeiertag bietet Gelegenheit, auf die politischen Herausforderungen seiner Zeit zu reagieren. So wollte Charles de Gaulle am 14. Juli 1958 und 1959 zeigen, dass er durch das Zusammenrücken Frankreichs mit den USA weder seine Identität noch seine Unabhängigkeit verloren hatte. Um die militärische Macht Frankreichs zu demonstrieren, fuhren bei dem Truppenaufmarsch auch schwere Waffen auf.
Von 1974 bis 1979 wechselte die Militärparade jedes Jahr ihre Route:
- 14. Juli 1974: Bastille-République
- 14. Juli 1975: Cours de Vincennes
- 14. Juli 1976: Champs-Élysées
- 14. Juli 1977: École militaire
- 14. Juli 1978: Champs-Élysées
- 14. Juli 1979: République-Bastille.
Seit 1980 findet die Parade wieder auf den Champs-Élysées statt.
Am 14. Juli 1989 wurde der zweihundertste Jahrestag der Französischen Revolution feierlich begangen. Zahlreiche ausländische Staats- und Regierungschefs wohnten der „Marseillaise“ bei, einer Show von Jean-Paul Goude.
Am 14. Juli 1994 nahm das Eurokorps an der Parade zum französischen Nationalfeiertag auf den Champs-Élysées in Paris teil. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg marschierten deutsche Soldaten in Frankreich auf, ein Zeichen der deutsch-französischen Versöhnung unter europäischer Schirmherrschaft. 2007 wurden Soldaten aus den 27 EU-Ländern eingeladen. 2009 war die Republik Indien Ehrengast und eröffnete den Umzug mit 400 indischen Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten. 2010 waren zum fünfzigsten Jahrestag ihrer Unabhängigkeit vierzehn afrikanische Länder eingeladen.
Bei der traditionellen Gartenparty, die nach der Militärparade im Park des Élysée-Palasts stattfindet, wurden 2007, 2008 und 2009 Hunderte unbekannter Helden und Kriegsopfer empfangen. Dieses Fest wurde 2010 von Nicolas Sarkozy im Zuge von Sparmaßnahmen abgeschafft und seither nicht wieder eingeführt.
Weitere Symbole der Französischen Republik
Stand : 14 Dezember 2022