Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, die stark von der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 und dem Geist der Aufklärung geprägt ist, markierte den Beginn einer neuen politischen Ära. Seither hat sie sich als Referenz etabliert. Diese Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wurde in der Präambel der Verfassung der Fünften Republik zitiert, die sich dadurch mit ihren Grundsätzen verbunden erklärte, und der Verfassungsrat erkannte 1971 ihren verfassungsrechtlichen Wert an.

Geschichte

Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte entsprang im Sommer 1789 dem Vorhaben der durch die Zusammenkunft der Generalstände gebildeten, verfassungsgebenden Versammlung, eine neue Verfassung aufzusetzen und dieser eine Grundsatzerklärung voranzustellen.    

Es ging eine Flut von Vorschlägen ein. Die verfassungsgebende Versammlung beauftragte fünf Abgeordnete (Démeunier, La Luzerne, Tronchet, Mirabeau und Redon) damit, die verschiedenen Erklärungsentwürfe zu untersuchen, aus ihnen einen einheitlichen Entwurf zusammenzustellen und diesen der Versammlung vorzulegen. Artikel um Artikel wurde die Erklärung zwischen 20. und 26. August 1789 angenommen.

In einer Präambel und 17 Artikeln definiert sie „natürliche und unantastbare“ Rechte wie Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung, erkennt die Gleichheit vor dem Gesetz und die Gleichbehandlung vor Gericht an und legt das Prinzip der Gewaltenteilung fest.

Die erst am 5. Oktober auf Druck der Versammlung und des nach Versailles strömenden Volkes von Ludwig XVI. ratifizierte Erklärung diente als Präambel der ersten Verfassung der Französischen Revolution von 1791. Obwohl ihre Grundzüge anschließend von zahlreichen Revolutionären missachtet wurden und 1793 und 1795 noch zwei weitere Menschenrechtserklärungen folgten, setzte sich der Text vom 26. August 1789 für die Nachwelt durch und inspirierte im Laufe des 19. Jahrhunderts ähnliche Texte in vielen Ländern Europas und Lateinamerikas. Er liegt den französischen Verfassungen von 1852, 1946 und 1958 zugrunde. 

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 in Paris unterzeichnet wurde, sowie die Europäische Menschenrechtskonvention, die am 4. November 1950 in Rom entstand, beruhen auf denselben Grundgedanken.

Wortlaut

Da die Vertreter des französischen Volkes, als Nationalversammlung eingesetzt, erwogen haben, dass die Unkenntnis, das Vergessen oder die Verachtung der Menschenrechte die einzigen Ursachen des öffentlichen Unglücks und der Verderbtheit der Regierungen sind, haben sie beschlossen, die natürlichen, unveräußerlichen und heiligen Rechte der Menschen in einer feierlichen Erklärung darzulegen, damit diese Erklärung allen Mitgliedern der Gesellschaft beständig vor Augen ist und sie unablässig an ihre Rechte und Pflichten erinnert; damit die Handlungen der gesetzgebenden wie der ausübenden Gewalt in jedem Augenblick mit dem Endzweck jeder politischen Einrichtung verglichen werden können und dadurch mehr geachtet werden; damit die Ansprüche der Bürger, fortan auf einfache und unbestreitbare Grundsätze begründet, sich immer auf die Erhaltung der Verfassung und das Allgemeinwohl richten mögen.

Infolgedessen erkennt und erklärt die Nationalversammlung in Gegenwart und unter dem Schutze des Allerhöchsten folgende Menschen- und Bürgerrechte:

ART. 1.

Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten. Soziale Unterschiede dürfen nur im gemeinen Nutzen begründet sein.

ART. 2.

Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte. Diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.

ART. 3.

Der Ursprung jeder Souveränität ruht letztlich in der Nation. Keine Körperschaften, kein Individuum können eine Gewalt ausüben, die nicht ausdrücklich von ihr ausgeht.

ART. 4.

Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen nur die Grenzen, die den anderen Gliedern der Gesellschaft den Genuss der gleichen Rechte sichern. Diese Grenzen können allein durch Gesetz festgelegt werden.

ART. 5.

Nur das Gesetz hat das Recht, Handlungen, die der Gesellschaft schädlich sind, zu verbieten. Alles, was nicht durch Gesetz verboten ist, kann nicht verhindert werden, und niemand kann gezwungen werden zu tun, was es nicht befiehlt.

ART. 6.

Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens. Alle Bürger haben das Recht, persönlich oder durch ihre Vertreter an seiner Formung mitzuwirken. Es soll für alle gleich sein, mag es beschützen, mag es bestrafen. Da alle Bürger in seinen Augen gleich sind, sind sie gleicherweise zu allen Würden, Stellungen und Beamtungen nach ihrer Fähigkeit zugelassen ohne einen anderen Unterschied als den ihrer Tugenden und ihrer Talente.

ART. 7.

Jeder Mensch kann nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und in den Formen, die es vorschreibt, angeklagt, verhaftet und gefangengehalten werden. Diejenigen, die willkürliche Befehle betreiben, ausfertigen, ausführen oder ausführen lassen, sollen bestraft werden. Doch jeder Bürger, der auf Grund des Gesetzes vorgeladen oder ergriffen wird, muss sofort gehorchen. Er macht sich durch Widerstand strafbar.

ART. 8

Das Gesetz soll nur solche Strafen festsetzen, die offensichtlich unbedingt notwendig sind. Und niemand kann auf Grund eines Gesetzes bestraft werden, das nicht vor Begehung der Tat erlassen, verkündet und rechtmäßig angewandt worden ist.

ART. 9

Da jeder Mensch so lange für unschuldig gehalten wird, bis er für schuldig erklärt worden ist, soll, wenn seine Verhaftung für unumgänglich erachtet wird, jede Härte, die nicht notwendig ist, um sich seiner Person zu versichern, durch Gesetz streng vermieden sein.

ART. 10.

Niemand soll wegen seiner Meinungen, selbst religiöser Art, beunruhigt werden, solange ihre Äußerung nicht die durch das Gesetz festgelegte öffentliche Ordnung stört.

ART. 11.

Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte. Jeder Bürger kann also frei schreiben, reden und drucken unter Vorbehalt der Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in den durch das Gesetz bestimmten Fällen.

ART. 12.

Die Sicherung der Menschen und Bürgerrechte erfordert eine Streitmacht. Diese Macht ist also zum Vorteil aller eingesetzt und nicht für den besonderen Nutzen derer, denen sie anvertraut ist.

ART. 13.

Für den Unterhalt der Streitmacht und für die Kosten der Verwaltung ist eine allgemeine Abgabe unumgänglich. Sie muss gleichmäßig auf alle Bürger unter Berücksichtigung ihrer Vermögensumstände verteilt werden.

ART. 14

Alle Bürger haben das Recht, selbst oder durch ihre Abgeordneten die Notwendigkeit der öffentlichen Abgabe festzustellen, sie frei zu bewilligen, ihre Verwendung zu überprüfen und ihre Höhe, ihre Veranlagung, ihre Eintreibung und Dauer zu bestimmen.

ART. 15.

Die Gesellschaft hat das Recht, von jedem öffentlichen Beamten Rechenschaft über seine Verwaltung zu fordern.

ART. 16.

Eine Gesellschaft, in der die Verbürgung der Rechte nicht gesichert und die Gewaltenteilung nicht festgelegt ist, hat keine Verfassung.

ART. 17.

Da das Eigentum ein unverletzliches und heiliges Recht ist, kann es niemandem genommen werden, wenn es nicht die gesetzlich festgelegte, öffentliche Notwendigkeit augenscheinlich erfordert und unter der Bedingung einer gerechten und vorherigen Entschädigung.

Französisches Staatsarchiv, 30. September 1789, AE/II/1129, Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des droits de l'homme et du citoyen)

Stand : 14 Dezember 2022